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Über Fotografie und Sehbehinderung.

Aktualisiert: 20. Okt. 2021



Über Street Fotografie und Sehbehinderung, das Fotografieren während des Lockdowns und die Entdeckung der minimalistischen Street Fotografie.

Interview mit Bastian Roman Peter vom Swiss Street Collective


Guido Klumpe ist ein street Fotograf aus Hannover in Niedersachen, Deutschland. Er ist bekannt für seine farbenfrohen und originellen Strassenfotografien mit seinem unverkennbar eigenen Stil. Er ist ausserdem ein Mitglied der Unposed Society of Hannover, ein deutsches street photography Kollektiv.


"Links bin ich nahezu blind und rechts habe ich 25% Sehleistung, weil die Sehnerven nicht so viele Informationen an das Gehirn weitergeben. Das Bild, welches ich von der Welt habe, ist recht flächig und hat wenig Details."


Guido, als erstes vielen Dank, dass du bereit warst ein Interview zu geben für das swissstreetcollective. Ich habe mich sehr auf dieses Gespräch gefreut. Du wusstest es vieleicht nicht, aber du warst einer der allerersten street Fotografen, die ich entdeckte, als ich selber startete auf der Strasse zu fotografieren.


Herzlichen Dank für die Einladung und das Kompliment Bastian, ich freue mich sehr!




Auf deiner Website erwähnst du, dass du an einer Sehbehinderung leidest. Wenn ich deine Bilder anschaue, ist das kaum zu glauben, denn diese sind erstaunlich.

Wie hat sich diese Sehbehinderung auf dich ausgewirkt, als du damals angefangen hast?


Schwer zu sagen, da ich schon seit Geburt nicht so gut sehe. Links bin ich nahezu blind und rechts habe ich 25% Sehleistung, weil die Sehnerven nicht so viele Informationen an das Gehirn weitergeben. Das Bild, welches ich von der Welt habe, ist recht flächig und hat wenig Details.

Das kann man sich so etwa vorstellen, wie ein Internetvideo mit geringer Datenrate. Ist nur ein Mensch auf dem Video zu sehen, erkennt man viele Einzelheiten. Bei einer Menschenmenge dagegen sind die Gesichter sehr grob gezeichnet.

Oft entdecke ich auf meinen Fotografien Details, die mir sonst entgangen wären.

Durch die Fotografie sehe ich mehr von der Welt.

Jeder hat eine Vorstellung davon, wie die Szene auf dem Bild wohl aussehen wird in dem Moment, in dem man auf den Auslöser drückt. Die inneren Bilder und die Vorstellung von der Welt sind also wesentlich bei der Fotografie.

Ich vermute, je weniger man von der Welt sehen kann, desto größer ist der Effekt.

Wenn ich auf der Straße eine interessante Stelle entdecke, denke ich viel über die Komposition nach und probiere verschiedene Blickwinkel aus, bevor ich knipse. Meine Sehbehinderung macht mich definitiv zu einem langsamen Fotografen.


Täglich erlebe ich, wie mir mein Sehen einen Streich spielt. Was ich für einen Hund auf der Wiese halte, war nur eine Plastiktüte. Oder die Treppe führt nicht dahin, wie ich vermutet habe.

Das verarbeite ich spielerisch auf meinen abstrakten Fotografien: Wenn sich die betrachtende Person fragt, was wohl vorne oder hinten ist, was oben und was unten, dann freue ich mich. Das Foto funktioniert.




Mit dem Lockdown hast du angefangen, dich mehr auf minimalistische Bilder zu konzentrieren. Seit dem hast du eine unverwechselbare und sehr beeindruckende Sammlung and minimalistischen Fotos erarbeitet.

Waren die Corona Massnahmen ein kreativer Schlüsselmoment, einen anderen Weg einzuschlagen?

Definitiv! Das Wetter im März war herrlich, das Licht perfekt. Ich hatte Urlaub und richtig Bock aufs Fotografieren. Und dann kam der Lockdown.

Wir von Kollektiv „Unposed Society Hannover“ planten eine Ausstellung für August 2020 mit dem Titel „Hold the line please“. Es geht um die Straßenbahnlinien in Hannover, jedes Mitglied hat sich eine Linie ausgesucht, und geht nur entlang dieser Linie fotografieren. Die Arbeiten wollten wir auf einer Ausstellung im August präsentieren, die natürlich ausgefallen ist.

Ich ging also entlang der Schienen und langweilte mich. Es war kein Mensch draußen, obwohl man Spaziergänge machen durfte. Die Angst war zu groß.

Dann kam ich zu einer Siedlung mit bunten kubistischen Häusern und fing an, zu experimentieren. Da hat es Klick gemacht. Ich konnte förmlich spüren, wie eine innere Fessel abfiel: „Ich bin Streetfotograf. Ich mache nur Fotos mit Menschen.“

Da hat es Klick gemacht. Ich konnte förmlich spüren, wie eine innere Fessel abfiel: „Ich bin Streetfotograf. Ich mache nur Fotos mit Menschen.“


Jetzt verstehe ich mich als Fotograf, der städtische Landschaften und das Licht darin dokumentiert. Wenn es möglich ist, platziere ich Menschen in diese urbanen Landschaften, um der Szene eine humane Dimension zu geben. Das fühlt sich viel freier und kreativer an.



Das muss ein ganz besonderer Moment gewesen sein. Ich weiß aus eigener Erfahrung, wie gut es sich anfühlt, genau diese Fesseln zu verlieren.

Du hast einmal erwähnt, dass du in diesem Sommer begonnen hast, häufiger Teleobjektive zu verwenden. Verwendest du eine bestimmte Ausrüstung für einen bestimmten Bildstil, oder fotografierst du eher aus dem Bauch heraus?

Mittlerweile benutze ich nur noch das Fuji 16-80 F4 Objektiv (24-120mm Kleinbild).

Ich arbeite bewusst mit allen Brennweiten, da ich oft verschiedene Bildebenen im Vorder- und Hintergrund verknüpfe. Und mit der Brennweite kann ich den Effekt der Kompression für jedes Bild passend bestimmen. Das bedeutet, dass der Hintergrund bei längeren Brennweiten im selben Bildausschnitt größer erscheint. Das gibt mir mehr Kontrolle über die Komposition und Bildwirkung.

Manchmal nutze ich den Zoom auch als Fernglas. Nur um zu sehen, ob es sich lohnt auf die andere Straßenseite zu gehen. 😉


Kommen wir zurück zu den Wurzeln deiner Fotografie. Hast du deine ersten Straßenfotos jemals öffentlich gezeigt? Besonders die, die du als Teenager gemacht hast?

Ja, tatsächlich habe ich ein Foto von 1993 bei Instagram gezeigt. Da war ich sieben Monate in Südostasien, und habe die Faszination der Streetfotografie entdeckt, ohne zu wissen, dass es das Genre überhaupt gibt. Das Bild habe ich während meiner Wanderung durch das Anapurna-Gebirge in Nepal gemacht. Bei den Affen musste man ziemlich aufpassen. Sonst verschwanden nicht nur Lebensmittel aus dem Rucksack…

Das ist fantastisch. Ich habe einen ähnlichen Traum. Eines Tages muss ich nach Hongkong und an andere a